, Cinémathèque Leipzig
Die Moskauer Prozesse
Milo Rau, BRD 2013, Dok, 89 min, OmU
Als die Aktivistinnen von "Pussy Riot" im Sommer 2012 für einen unangemeldeten Auftritt in der Moskauer Erlöserkathedrale wegen Gotteslästerung und Agitation zu zwei Jahren Straflager verurteilt wurden, führte das zu Protestkundgebungen in der ganzen Welt. Für sein Projekt DIE MOSKAUER PROZESSE versammelt der Schweizer Regisseur Milo Rau die Protagonist*innen der Prozesse um Pussy Riot und der Ausstellungen "Achtung! Religion!" und "Verbotene Kunst" noch einmal zu einer theatralen Re-Inszenierung. Mit offenem Ausgang lässt er die Verfahren über einen Zeitraum von drei Tagen neu verhandeln. Auf der Bühne stehen Akteur*innen aus dem realen Leben: Anwält*innen, Angeklagte, Zeug*innen, orthodoxe Gläubige, liberale Politiker*innen, Neofaschist*innen. Im Laufe der Verhandlung, in Kreuzverhören, Plädoyers und den Auseinandersetzungen am Rand des Prozesses entsteht so ein widersprüchliches Bild des heutigen Russlands: Verletzt die restriktive Kulturpolitik die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte? Oder ist es doch die Kunst, die die Gefühle der Gläubigen verletzt? Die Geschworenen, die schließlich über den Ausgang der Verfahren entscheiden, sind Durchschnittsbürger*innen, ein Querschnitt der russischen Bevölkerung.
Die kontroverse Versuchsanordnung ist selbst ein provozierendes Kunstwerk, ein selbstreflexiver Schau-Prozess eigener Art, der die Frage nach dem progressiven Potential einer Neuaneignung realer Ereignisse und ihrer medialen Verbreitung aufwirft. Dabei enthält sich der Dokumentarfilm jedoch einer klaren Stellungnahme. Trotzdem löste er einen internationalen Skandal aus und führte zu einem Einreiseverbot gegen Milo Rau.
Im Anschluss Podiumsdiskussion mit Christine Gölz (Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas GWZO) und Mischa Badasyan (Performancekünstler und Aktivist), der sein aktuelles Projekt SAVE THE DATE präsentiert.